Wählerstromanalysen 1: Info
gedruckt am 03. Oct. 2024
Wählerstromanalysen beruhen auf einem mathematischen Modell, mit dem rechnerisch (näherungsweise) ermittelt werden kann, wieviel Prozent der Wähler einer Partei bei der anschließenden Wahl jeweils wieder die gleiche Partei oder eine andere Partei gewählt haben.
1. Ausgehend vom alten Wahlergebnis und der Kenntnis (oder Annahme) der Wählerströme kann das neue Ergebnis ermittelt werden.
2. Umgekehrt können Rückschlüsse auf die Wählerstrommatrix gemacht werden, wenn das alte und das neue Wahlergebnis bekannt sind.
Demnach werden Wählerstromanalysen in zwei Bereichen eingesetzt:
1. Sind die neuen Wahlergebnisse da, werden Wählerströme berechnet und politische Analysen gemacht. Für die Parteien ist es natürlich interessant und mitunter nützlich zu wissen, an wen sie Stimmen verlieren, von wem sie Stimmen gewinnen, wie diszipliniert die (Stamm-)Wähler/innen sind, wie viele der eigenen Wähler/innen ungültig oder gar nicht gewählt haben.
2. Am Wahlabend werden Wahlhochrechnungen gemacht, denen ebenfalls Wählerstromanalysen zugrunde liegen. Etwas vereinfacht dargestellt: Sind die Ergebnisse einiger Gemeinden (etwa bei Nationalrats- oder Landtagswahlen) bekannt, so werden die Wählerströme berechnet. Mit Hilfe dieser Wählerströme wird unter der Annahme gleicher Wählerströme für die ganzen Wähler/innen das vermutliche („vorläufige“) Wahlergebnis berechnet.
Das zur Berechnung nötige mathematische Verfahren ist die Multiplikation von Matrizen.
Die Berechnung des neuen Ergebnisses aus dem vorliegendem alten Ergebnis und der Wählerstrommatrix ist kein Problem. Für die Umkehrung dieser Rechnung – die Ermittlung der Wählerstrommatrix – ist allerdings bereits ein Computer mit entsprechender Software nötig. Einfache Modelle können auch ohne Computer berechnet werden.
Mit der Tabellenkalkulation EXCEL kann man mit Hilfe des SOLVERs ein Modell erstellen, das für (nicht allzuviele Wahlsprengel, Gemeinden) Wählerströme ermittelt: Es wird eine Matrix ermittelt, die für die angegebenen Gemeinde (alte und neue Wahlergebnisse) eine bestmögliche gemeinsame Wählerstrommatrix darstellt.
Der Rechenvorgang ist folgender: Aus den alten Ergebnisse und einer gemeinsamer Wählerstrommatrix (Annahme treffen, eventuell „Einheitsmatrix“!) werden für alle Gemeinden bzw. Wahlsprengel die „neuen“ Ergebnisse (Stimmen) ermittelt. Diese Ergebnisse werden mit den tatsächlichen neuen Wahlergebnissen verglichen, indem die Differenzen der Einzelergebnisse gebildet werden (für alle Einzelergebnisse). Die Differenzen werden quadriert und dann summiert („Prüfzahl“).
Nun wird die Matrix so lange angepasst, bis diese Summe der Quadrate der Differenzen („Prüfzahl“) nicht mehr kleiner wird (im optimalen Fall Null ist). Beim Anpassen der Matrix darf nicht vergessen werden („Nebenbedingungen“), dass
* die Summe einer Matrixspalte immer 100% ergeben muss (Anzahl aller Wähler einer Partei bei der letzten Wahl) und
* die Prozentsätze in der Matrix nur positive Zahlen zwischen 0 und 1 (0% bis 100%) sein können.
Achtung: Die Berechnung ist für wenige Wahlergebnisse (Gemeinden, Wahlsprengel) nicht eindeutig. Wird aber für „viele“ Wahlsprengel (z.B. 10 Sprengel einer Gemeinde) das Modell erstellt, so kann meist eine eindeutige Näherung gefunden werden. Am besten testet man das Modell auf Eindeutigkeit, indem man bei mehreren Modellläufen von verschiedenen Ausgangsmatrizen ausgeht.